Schon während meines Sonderpädagogik-Studiums hegte ich den großen Traum, das Schulleben in verschiedenen Ländern kennenzulernen. Durch meine Freundin Lynn Wanders, die mir im Laufe der Jahre viel über die MYODA Schule (heute, abgeleitet von dem Namen des Schulleiters Obedy Kuguru, Obedience Pre- and Primary School) in Kibaha erzählt hat, wuchs der Wunsch, diese Schule eines Tages zu besuchen. Nachdem meine Reise aufgrund der Pandemie mehrfach verschoben werden musste, konnte ich Anfang 2024 endlich für vier Wochen nach Tansania reisen. In diesen vier Wochen hatte ich die Gelegenheit, die pädagogischen Ansätze und den Schulalltag vor Ort aus nächster Nähe zu erleben und aktiv am Unterrichtsgeschehen teilzunehmen. Diese Erfahrungen bereicherten nicht nur mein berufliches Wissen, sondern auch meine persönliche Perspektive auf Bildung und kulturellen Austausch.
Neues aus der MYODA Schule
In Kibaha wurde ich mit offenen Armen und einer beeindruckenden Gastfreundschaft empfangen. Der Schulleiter, Obedy Kuguru, bei dessen Familie ich während meines Aufenthalts untergebracht war, zeigte mir bereits am ersten Tag voller Stolz die Schule. Da es das letzte Wochenende vor dem neuen Schuljahr war, waren alle Lehrer*innen anwesend und führten mich durch die Schule, wobei sie mir viel aus dem Schulalltag und dem Leben in Kibaha erzählten. Am ersten Schultag durfte ich morgens zur Parade alle Schüler und Schülerinnen kennenlernen. Die Kinder waren sehr aufgeregt und fragten sofort, wann ich in ihre Klasse kommen würde. Aktuell besuchen 645 Schüler und Schülerinnen die Schule, wobei 149 Schüler*innen zur Pre-School (Baby Class, Middle Class, Preunit) und 496 Schüler*innen zur Primary School (Jahrgänge 1-7) gehören. Da die Schule in der Umgebung sehr beliebt ist, wächst sie stetig, sodass es mittlerweile in den Jahrgängen 1 und 2 jeweils zwei Klassen gibt. Die 19 Lehrkräfte der Schule unterrichten teils in sehr großen Klassen mit bis zu 80 Schüler*innen, weshalb oft zwei Lehrer*innen gemeinsam unterrichten, um eine bessere Unterrichtsqualität zu gewährleisten. Um mehr Unterrichtsräume zur Verfügung zu stellen, wurde das Schulgebäude in den letzten Jahren um eine zweite Ebene erweitert. Trotz der steigenden Lebensmittelkosten bemüht sich die Schule, den Kindern und Lehrkräften täglich zwei Mahlzeiten zur Verfügung zu stellen. Auch ich freute mich jeden Tag auf das gemeinsame Frühstück zum Beispiel Mandazi und das Mittagessen beispielsweise Ugali, das direkt an der Feuer- und Kochstelle auf dem Schulhof zubereitet wurde.
Mein Schulalltag vor Ort
Ab dem ersten Tag an habe ich gemeinsam mit den Schüler*innen und Lehrer*innen gelacht, getanzt, gesungen und gelernt. Als angehende Förderschullehrerin war es sehr spannend, den Unterrichtsalltag mitzuerleben, ohne die gewohnten Fördermaterialien zur Verfügung zu haben. Es reichten eine Tafel, ein Stift und ein einfaches Blatt Papier, und die Lehrer*innen vermittelten spannende Inhalte. Während die oberen Klassenstufen von früh morgens bis spät abends für wichtige Abschlussprüfungen in Fächern wie Mathematik und Ethik lernten, lag der Fokus in den unteren Klassen der „Preschool“ vor allem auf dem Erlernen der englischen Sprache. Die meiste Zeit unterstützte ich die Klassenlehrer*innen der zweiten Klasse und der Preunit-Klasse, mit denen ich in engem Austausch stand. Wir zeigten uns gegenseitig neue Lern- und Lehrmethoden und Ideen für die Unterrichtsgestaltung. Es fiel mir schnell auf, dass das Unterrichten von so vielen Kindern etwas ganz anderes ist als das Arbeiten an deutschen Förderschulen, das ich gewohnt war. Durch die fehlenden Unterrichtsmaterialien arbeitete ich viel mit Tafelbildern und vermittelte praktische Inhalte wie beispielsweise das Alphabet, der Körper, Hobbys oder Berufe. Nach ein paar Tagen konnte ich auch schon die Tänze und Lieder der Schule und integrierte diese häufig in den Unterricht. Die Schüler und Schülerinnen begegneten mir mit viel Neugierde und Interesse. Gleichzeitig war es auch herausfordernd, für Ruhe im Klassenzimmer zu sorgen oder die Aufmerksamkeit der Kinder so lange wie möglich hochzuhalten. Hierbei halfen mir Klatsch-Signale oder Vor- und Nachmach-Übungen, die von den Kindern gut angenommen wurden. In den höheren Klassen begleitete ich zudem immer wieder den Ethikunterricht. Wir tauschten uns über die Entwicklungen verschiedener Länder beispielsweise auch Deutschland aus. Hierbei ging es um Themen wie Infrastruktur, Arbeitslosigkeit, Gesundheitswesen und Bildung. In den Diskussionen wurde deutlich, dass viele Schüler und Schülerinnen ein „unrealistisch perfektes Bild“ von Deutschland bzw. Europa haben. Mir lag es sehr am Herzen den Schüler*innen auch von den negativen Entwicklungen wie beispielsweise der Fast Fashion Industrie, Zerstörung der Umwelt, Wegwerfgesellschaft etc. zu berichten. Wir führten sehr spannende, lebhafte und interessante Diskussionen, die uns alle ein Stück näherbrachten.
Schulpartnerschaft mit der Grundschule-Großlengden
Neben dem Unterricht bemühte ich mich, die gemeinsamen Projekte der Schulpartnerschaft umzusetzen. Hierbei ging es beispielsweise darum, den Schulalltag der Kinder mithilfe von Bildern und kurzen Texten der deutschen Partnerschule näherzubringen. Voller Eifer ließen sich die Schüler*innen kreative Ideen einfallen und malten Bilder, die ihre Klassenzimmer, ihre Schuluniform, die Schule, ihre Klassenkamerad*innen, ihren Schulweg und das Schulessen darstellten. Manche von ihnen verfassten auch kurze Texte und beschrieben ihren Schulweg oder ihren Schulalltag auf Englisch. Die Schüler*innen gaben sich dabei sehr viel Mühe und waren ganz aufgeregt bei dem Gedanken, dass ihre Bilder den deutschen Schüler*innen gezeigt werden.
Einblicke in ein starkes Schulteam – Großes Engagement trotz vieler Herausforderungen
Während meiner vier Wochen an der Schule konnte ich eine sehr gute Beziehung zu den Lehrkräften aufbauen, die mich freundlich und kollegial aufgenommen haben. Wir tauschten uns intensiv über das Schul- und Bildungssystem in Deutschland und Tansania aus. Trotz der leider sehr geringen Bezahlung habe ich die Lehrkräfte als hoch motiviert und engagiert erlebt. Für viele von ihnen ist die Schule ein zweites Zuhause, und sie verbringen häufig den ganzen Tag dort. Alle Schulmitarbeitenden verstehen sich als Team und ziehen alle gemeinsam an einem Strang. Besonders beeindruckt hat mich, dass sie trotz der großen Anzahl an Schüler*innen versuchen, das Beste aus jedem Kind herauszuholen und es bestmöglich zu fördern. Sie begegnen den Kindern mit viel Verständnis, Empathie und Fürsorge und unterstützen deren individuelle Stärken.
Die finanziellen Engpässe der Schule sind nicht nur in der geringen Bezahlung der Schulmitarbeitenden zu erkennen, sondern auch an der mangelnden Schulausstattung, dem begrenzten Lehr- und Lernmaterial sowie an den geringen Essensvorräten. Dank Spenden von Interessierten, Freund*innen und Familienmitgliedern konnten wir vor Ort Schulmaterialien wie Buntstifte, Radiergummis und Co, einen Laptop für die Lehrkräfte sowie Tische und Bänke für eine Klasse finanzieren.
Fazit
Alles in allem waren die vier Wochen für mich eine einmalige und wunderbare Erfahrung. Ich habe viele tolle Menschen und die tansanische Kultur kennengelernt. Ich bin sehr dankbar für meine Zeit an der MYODA Schule, auch wenn diese nicht nur von Höhen, sondern auch von Tiefen geprägt war. Der Austausch mit meiner Freundin Lynn hat mir dabei stets sehr geholfen. Hoffentlich wird es in der Zukunft ein Wiedersehen geben. Bis dahin bleibe ich in Kontakt mit dem Schulleiter Obedy Kuguru und einigen Lehrer*innen, und ich werde die Entwicklung der Schulpartnerschaft mitverfolgen und begleiten. Heute versuche ich, vieles von dem Unterricht in Tansania in meinen deutschen Unterricht einfließen zu lassen, wie das aktivierende Lernen und das viele Tanzen und Singen. Bis jetzt kommt das bei den Schüler*innen gut an!