Auch fast ein Jahr nach unserer Reise nach Tansania lassen uns und auch weitere Mitglieder der Tansania AG die Themen, mit denen wir auf der Reise konfrontiert wurden, nicht los: Weißsein, Rassismus, Kolonialismus, Privilegien, Vorurteile. Aber wir, wir sind doch nicht rassistisch. Oder?
Jeder von uns ist schon mal schwarzgefahren. Und in der Grundschule haben wir „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ gespielt. Sind wir damit rassistisch? Was ist Rassismus? Und was ist eigentlich kritisches Weißsein?
Besonders angesichts der aktuellen Ereignisse in den USA Themen und Fragen, die akuter nicht sein könnten, auch wenn wir das gerne mal verdrängen.
Bei unserem zweiten Seminar mit der BtE Referentin (Bildung trifft Entwicklung: eine bundesweite Plattform für Globales Lernen) Christina Pauls – diesmal allerdings gezwungener (aber gelungener!) Maßen online –haben wir uns also mit all diesen Fragen beschäftigt. Via Videokonferenz und einiger Websites haben wir zu rund zwanzigst zweieinhalb Stunden lang gemeinsam diskutiert, reflektiert, gelernt und überlegt.
Was bedeutet Weiß zu sein eigentlich für uns? Bei einem Brainstorming mithilfe einer Wordcloud stand für viele im Mittelpunkt, dass es bedeutet, Privilegien zu haben. Es ist eine Bürde und Verpflichtung, hat etwas mit Kolonialismus und Rassismus zu tun. Es bedeutet Vorurteile, Macht, Chancenungleichheit, eine Sonderrolle und ist erstmal nicht veränderbar. Krasse Unterschiede, die sich auftun zwischen Menschen, die doch eigentlich gleich viel wert sind. Dadurch zeigt sich schon, dass „kritisches Weißsein“ so viel mehr als nur eine Hautfarbe ist – es ist ein System von Macht und Privilegien. Daher schreiben wir in dem Fall Weiß und Schwarz auch groß, um deutlich zu machen, dass es um Zuschreibungen innerhalb dieses Systems geht und nicht um „Farben“.
Und jetzt nicht „Na schön und gut, aber solchen Rassismus gibt es ja in Deutschland nicht. Also was machen wir nun aus der Erkenntnis?“ denken, denn sich dessen bewusst zu werden, ist schon ein ganz wichtiges Ziel des kritischen Weißseins. Denn es geht um eine Demaskierung der weißen Privilegien und Aufhebung ihrer Unsichtbarkeit und um ein Bewusstmachen der Zugehörigkeit zur dominanten Weißen Gruppe. Dass wir mit unserem einen kleinen Online-Seminar die Welt nicht verändern können, ist uns klar, aber unsere eigene Welt verändert die Auseinandersetzung mit diesem Thema auf jeden Fall. Denn solche Themen gehen einem nahe, besonders Gespräche mit von Rassismus betroffenen Schwarzen Menschen und People of Color wie Zouzou, dem Mann von Christina Pauls, mit dem wir uns bei dem Online-Seminar auch unterhalten konnten und der von seinen Erfahrungen mit Rassismus hier in Deutschland erzählt hat, z.B. dass er unglaublich oft als einzige Person in einer großen Gruppe von Polizisten kontrolliert wird und ihm unterstellt wird, etwas gestohlen zu haben.
Irgendwann waren wir dann an einem Punkt, an dem wir den Rassismus auch in Deutschland einfach nicht mehr leugnen konnten – das fängt im ganz Kleinen bei Wörtern wie schwarzfahren an (hier schwingt mit: schwarz = negativ) geht z.B. bei Kosmetikprodukten weiter, bei denen Foundation nicht in der Hautfarbe von Schwarzen Menschen und People of Color zu bekommen ist bis hin zu mikroaggressiven Äußerungen wie beispielsweise der wiederholten Nachfrage an Schwarze Menschen und People of Color „Woher kommst du wirklich?“.
Und dann haben wir uns doch die Frage „Und was machen wir nun mit unseren Erkenntnissen?“ gestellt – und gemeinsam nach ganz handfesten Lösungsansätzen gesucht, nach Wegen, wie wir im Alltag anders, vielleicht besser, damit umgehen können und sie auf einer digitalen Pinnwand gesammelt: Hingucken, reden, zuhören, aufklären, hinterfragen, sich immer weiter über Rassismus informieren, auf andere offen zugehen und sie freundlich behandeln, reisen und sich mit anderen Kulturen, Sprachen etc. auseinandersetzen, über den deutschen Kolonialismus z.B. auch in der Schule aufklären bzw. kritische Fragen dazu stellen und vor allem mit all diesen Dingen nie aufzuhören.
Denn wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern; wie es so schön mutmachend heißt. Genau das Gefühl hatten wir nämlich auch am Ende unseres Webinars – es macht Mut und Hoffnung, dass wir gemeinsam auf diesem Weg sind und ihn auch weiter gehen wollen.
Maren Mitterer