In unserem Kick-off Workshop zum Kolonialismus am Samstag den 7.12. mit Christina Pauls (Referentin bei „Bildung trifft Entwicklung“ und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Augsburg am Lehrstuhl für Friedens- und Konfliktforschung), haben wir uns mit den Privilegien des Weißseins beziehungsweise dem Weiß- oder Schwarz-Sein auseinandergesetzt.
Der Workshop begann damit, dass wir uns verschiedene Bilder, welche im Senegal aufgenommen wurden, angeschaut haben. Wir sollten uns ein Bild aussuchen, welches uns ansprach und gefiel. Zusammen beschrieben wir sie dann und äußerten uns kritisch dazu. Auf einem dieser Bilder war z.B. eine Frau, die auf einem Stuhl vor einem Haus saß und eine Zeitung las. Auf uns wirkte das Bild sehr gemütlich und einladend. Bald darauf kam aber auch der Aspekt auf, dass sich die Frau vor den Blicken und Fotos verstecken könnte. Viele sehen es als selbstverständlich an, in fremden Ländern Fotos von der Bevölkerung zu machen ohne sie jedoch zu fragen. Uns selbst würde dies auch nicht unbedingt gefallen. Auf einem anderen Bild war ein schwarzer älterer Mann zu sehen. Eine weiße Frau zeigte ihm ein Bild auf einem Fotoapparat. Zunächst waren wir alle der Meinung, dass es toll ist, dass die Frau dem Mann etwas zeigt und mit ihm etwas teilt. Doch schon bald kam die Frage auf, warum der Mann der Frau nichts zeigt? Oft sieht man nur wie weiße reiche Menschen schwarzen armen Menschen etwas zeigen. Aber warum sollte es nicht andersherum sein? Warum sollten wir nichts von anderen lernen, sie aber alles von uns? Diese Übung ließ uns unsere Vorurteile reflektieren und regte uns zum Nachdenken an.
Besonders beeindruckt hat uns auch folgendes Spiel: Jeder von uns erhielt einen Zettel, auf dem Informationen über eine Person standen, deren Rolle wir annehmen sollten. Wichtig war, dass zu Beginn niemand sonst von der eigenen Rolle erfahren sollte. Danach hatten wir mehrere Minuten Zeit uns in unsere jeweiligen Rollen einzufinden. Wir sollten nicht nur die Identität dieser Personen annehmen, wir sollten diese Personen werden. Welche Gedanken sie haben könnte, wie ihre Kindheit wohl war, all diese Informationen standen uns frei, selbst zu entscheiden. Dann sollten wir uns in einer geraden Linie nebeneinander aufstellen. Es wurden Aussagen vorgelesen und wenn wir dachten, dass sie auf uns zutrafen, sollten wir jeweils einen Schritt nach vorne treten. Die Aussagen waren beispielsweise: Du hast als Kind regelmäßig die Schule bis mindestens zur 9. Klasse besucht. Du lebst in einem Haus mit Telefon-, Fernseher- und Internetanschluss. Du kannst im Bus deine Sprache zu sprechen ohne dass Fremde abwertend reagieren. Wenn du zur Polizei gehst, um einen Diebstahl anzuzeigen, wirst du dort fair behandelt. Du kannst mindestens einmal pro Jahr in einem beliebigen Land Urlaub machen.
Ich hatte die Identität eines reichen Unternehmers. Ich konnte bei fast jeder Frage einen Schritt nach vorne machen und am Ende war ich eine der vordersten. Als es dann keine Aussagen mehr gab, habe ich mich zum ersten Mal umgedreht, um zu sehen wo die anderen stehen. Sie waren im ganzen Raum verteilt, viele waren eher im hinteren Bereich und es gab auch welche, die keinen einzigen Schritt nach vorne gegangen waren. Während der Aussagen habe ich immer nur nach vorne geschaut, ich wollte immer mehr und ich habe mich gut gefühlt einen Schritt zu machen. Dabei habe ich nicht auf meine Mitmenschen geachtet und wie sie mit jedem Schritt, den sie nicht gehen durften, trauriger wurden.
An unseren Plätzen stehend, enthüllten wir unsere Identitäten. Die Personen die weiter vorne standen, waren fast allesamt weiße Menschen, die wir wahrscheinlich als Mittelschicht beschreiben würden. Im Mittelfeld waren Personen, die bei uns den Stellenwert haben, ein schweres Leben zu haben, wie zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter mit einem Job im Supermarkt. Aber im Vergleich zu anderen waren sie ziemlich weit vorne. Die Personen, die ganz hinten standen, waren z.B. illegale Einwanderer und Arbeiterinnen in Fabriken in Bangladesch. Man konnte eine klare Abgrenzung zwischen unseren Charakteren erkennen. Danach haben wir uns hingesetzt und über diese Erfahrung geredet, die Personen die hinten bleiben mussten, erzählten wie einschüchternd und deprimierend es war, uns anderen zuzusehen wie wir vorgegangen sind, während sie selbst nicht einmal einen Schritt machen konnten.
Leider ist dieses Spiel die Realität. Die privilegierten Menschen, zu denen ich uns definitiv dazuzähle, wollen immer mehr, während sie Menschen, die weniger haben, zurücklassen, auch wenn dies manchmal unbewusst geschieht. Wir sehen immer nur unser Ziel und wollen immer weiter nach vorne, sodass wir aus den Augen verlieren, was wichtig ist und zwar anderen zu helfen, die woanders geboren sind und deswegen vielleicht weniger Privilegen haben als wir. Wir können nicht beeinflussen in welchem Land oder unter welchen Umständen wir geboren sind und genau deswegen ist es wichtig, genau solchen Menschen zu helfen, da wir es auch hätten sein können.
Außerdem haben wir uns noch mit unseren Privilegien beschäftigt, wie z.B. fließendes Wasser und immer einen Nahrungsvorrat zu haben. Bei einer Art „Spiel“ bekam jede*r einen Zettel auf dem eines unserer Privilegien draufstand. Privilegien von denen uns vorher meist nicht bewusst war, dass andere Menschen auf der Welt sie nicht besitzen wie z.B. das Recht für die eigene Meinung einzutreten oder sich seinen Beruf frei auszuwählen. Alles Sachen von denen man denkt, dass sie selbstverständlich sind. Sie sind auch selbstverständlich aber eben nur für uns, in anderen Teilen der Welt sind dies manchmal schier unerreichbare Privilegien.
Wir freuen uns schon darauf, uns in weiteren Workshops gemeinsam mit Christina Pauls noch weiter mit dieser Thematik und auch dem Kolonialismus selbst zu beschäftigen. Ganz herzlichen Dank für den tollen Workshop! Katharina Kaindl, Magdalena Kersten und Liv Meiners