So oft habe ich versucht mir vorzustellen, wie Tansania, wie dieser ganze, riesige Kontinent Afrika, auf den ich noch nie zuvor einen Fuß gesetzt hatte, sein mag. Wir alle kennen doch die Fotos von internationalen Hilfsorganisationen von dunkelhäutigen Kindern in zerrissenen Kleidern, von Wassermangel und vollkommen überfüllten Klassenzimmern. Oder die Werbefotos von Airlines und Reiseanbietern, mit verlassenen, malerischen Sandstränden oder tanzenden Frauen in bunten Kleidern. Dieses Bild von Afrika, das wir von den Medien und der Politik – Hungersnöte, Unglück, Hilfsbedarf – in unsere Köpfe gezeichnet bekommen, ist so fest eingebrannt.
Außer vielleicht, man selbst hatte schon die Chance, in diese gigantische Welt einzutauchen, und dann als allererstes zu merken, dass es nicht EIN Afrika gibt. Schon innerhalb des kleinen Teils von Tansania (nicht einmal ein Bruchteil dieses Kontinents), den wir erleben durften, haben wir unfassbar viele Facetten dieses Landes erlebt.
Ja, wir haben in Ilembula mit einheimischen Kindern gespielt, die zerrissene Kleider anhatten – aber es war so lebensfroh, einfach und bereichernd. Und wir haben auch den Wassermangel am eigenen Leib erlebt (wenn zum Beispiel in den Dormitories in Emmaberg, in denen wir Mädchen bei den Schülerinnen geschlafen haben, an manchen Tagen kein Wasser mehr aus dem Hahn kam) und verzweifelt die Stirn gerunzelt über die zig SchülerInnen, die in einen Klassenraum gezwängt waren. All diese Bilder, die man vor Augen hat, wenn man „Afrika“ hört, haben wir erlebt, aber trotzdem hat die Vorstellung unserer Gesellschaft sich nicht mit unseren Erfahrungen hier gedeckt.
Afrika – wenn ich das so naiv pauschalisieren darf an dieser Stelle – ist das alles zusammen und so viel mehr: die Träume und Hoffnungen, der Mut und die Stärke der Menschen, von denen wir so unfassbar viel lernen können; der Gestank und die Düfte (des unfassbar leckeren Essens!); die Langsamkeit; die Sprache(n); die Mücken und Straßenverkäufer; die lebensfrohen Tänze und die laute und berührende Musik. Allein während des Schreibens merke ich, dass ich nicht einmal nach drei Wochen Tansania den Zauber und die Magie dieses Landes annährend in Worte fassen kann. Afrika muss man erleben, mit eigenen Augen sehen.
Diese Reise hat unser Bild von Afrika dauerhaft geprägt – die Gesichter der Mädchen, von denen wir uns jetzt in Emmaberg ohne eine sichere Aussicht auf ein Wiedersehen verabschiedet haben, werden uns noch lange in Erinnerung bleiben.
Die Lieder und Trommelschläge vermischen sich mit dem Takt unseres Herzschlags, noch oft werden wir bei dem Geschmack von gerösteten Erdnüssen und Masala-Tee schmunzeln und uns „Mambo“ – „Poa“ als Begrüßung zurufen. Vielleicht wird uns gerade jetzt, wo die intensivste Zeit unserer Reise zu Ende gegangen ist, so bewusst, wie sehr uns diese Reise geprägt hat. Im Flugzeug von Mbeya nach Dar es Salam sitzend und die Landschaft unter uns vorbeiziehen sehend, ist es fast, als würden all die Erlebnisse noch mal an uns vorbeiziehen. Die Busfahrten (heute ein letztes Mal mit Dieter!), die Safari, die Tage in Ilembula und jetzt die elf Tage in Emmaberg.
Bilder, die nie mehr aus unseren Köpfen verschwinden werden; Melodien, die noch lange in unseren Ohren summen werden. Genauso wie das Meeresrauschen jetzt im Kipepeo, das fast wie ein Nachtlied ist. Doch noch ist unsere Reise nicht vorbei, noch liegen vier Tage hier am Strand vor uns, eine weitere Facette des Landes, die uns prägen wird. Hier, den Blick aufs Wasser gerichtet, mit diesem unfassbaren Land und all unseren Erfahrungen im Rücken und dem unendlichen Meer, der ungewissen Zukunft vor uns.
Afrika, ein Wesen, geboren aus Stärke und Mut, die Trommelschläge schlagen seinen Herzschlag und sein Blut fließt durch die unendlichen Flusslandschaften. (Maren Mitterer über Montag, den 19. August – Abreise Emmaberg, Busfahrt nach Mbeya, Flug nach DAR und Ankunft Kipepeo)