Pflanzenkohle und Wasser: Ein Tandem mit Perspektive

Ausgangslage

Das Umfeld unserer Partnerschulen im Südwesten Tansanias ist sehr ländlich geprägt. Nahezu alle hier lebenden Menschen – viele von ihnen in sehr prekären Verhältnissen – betreiben landwirtschaftliche Aktivitäten (auch alle hauptberuflichen Lehrkräfte an Schulen und Mitarbeiter:innen des Krankenhauses sowie der kirchlichen Gemeinden): Sie bauen Feldfrüchte an (v.a. Mais, Bohnen und Gemüse), halten (Klein-)Tiere (v.a. Hühner und Ziegen) und gewinnen Obst (v.a. Mango, Bananen und Papaya).
Durch diese Form der Selbstversorgung versuchen die Menschen ihre Nahrung zu sichern und ihr Einkommen durch Verkauf der Überschüsse auf lokalen Märkten zu verbessern.

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Probleme

Ein limitierender Einflussfaktor – vor allem beim Ackerbau – ist allgegenwärtig: Die Menschen hoffen (und beten auch oftmals) für ausreichend Niederschlag und verträgliche Niederschlagsverteilung in der Regenzeit (Dezember bis April).
Tendenziell werden diese Hoffnungen immer weniger erfüllt: Trockenzeiten und Dürreperioden nehmen ebenso zu wie Starkregenereignisse, die den Boden abschwemmen und ein Netz von Erosionsflächen und -rinnen schaffen. Diese „Begleiterscheinung“ der aktuellen globalen Klimaveränderung wird maßgeblich durch die Wirtschafts- und Lebensweise der Menschen in den Reichtumsregionen der Erde verursacht.

Ilembula Secondary: Eine von vielen Erosionsrinnen

Der zweite limitierende Faktor wird weit weniger beachtet: die geringe Fruchtbarkeit der vorherrschenden, Jahrmillionen alten und daher tief verwitterten innertropischen Böden, deren Aufnahme- und Speicherkapazität von Wasser und Nährstoffen sehr gering ist. Regen- und ggf. auch Bewässerungswasser sickert zu schnell durch den Boden und wäscht die Nährstoffe sogar noch aus.
Deshalb glauben viele Menschen vor Ort an eine intensiv beworbene „Segnung“ der Moderne: Kunstdünger! Unbewusst tappen sie in eine „Kostenfalle“, die durch die zunehmende Abhängigkeit von diesem chemischen Industrieprodukt im Zusammenspiel mit Hybrid-Saatgut und Pestiziden dramatische und existenzbedrohende Ausmaße erreichen kann.

Den „Teufelskreis“ durchbrechen

Der Verantwortliche unseres bayerischen Kooperationspartners Char2Cool (https://char2cool.org/), Walter Danner, vergleicht diese Ausgangslage des wenig fruchtbaren tropischen Bodens mit einem Fahrrad mit plattem Reifen: Jedesmal wieder zu düngen ist mit dem Vorgang gleichzusetzen, den Radreifen immer wieder aufzupumpen …. immer und immer wieder.
Die Lösung des Radproblems liegt auf der Hand: Besser wäre es, den Fahrradschlauch zu flicken. Übertragen auf den Boden bedeutet das, dessen Speicherkapazität von Wasser und Nährstoffen dauerhaft zu verbessern.
Das „Reparaturset“ dafür ist bekannt: Mit Nährstoffen angereicherte Pflanzenkohle (englisch biochar, als Terra preta bereits seit Jahrtausenden genutzt)!

Die Pflanzenkohle – mit Dung oder Urin vermischt – wird nur einmal in den Boden eingebracht. Sie verändert dessen Struktur dauerhaft und verbessert so langfristig die Nährstoff- und Wasserspeicherfähigkeit, wird Lebensraum von Mikroorganismen und bindet Schadstoffe.
Das sind für das Wachstum der Pflanzen viel günstigere Voraussetzungen, die die Fruchtbarkeit und Ernteerträge steigern und weniger Dünger erfordern (es sollte natürlich ausschließlich organischer Dünger verwendet werden). Die Kosten sinken, die Produktivität steigt!
Wenn es gelingt die angereicherte Pflanzenkohle im Boden auch in den Dürreperioden feucht zu halten, sind Anbau und Ernten selbst in den trockenen Phasen möglich!

Was ist Pflanzenkohle?

Pflanzenkohle ist das Ergebnis einer thermischen „Verkohlung“/Karbonisierung. Ein bekanntes Beispiel ist Holzkohle. Bei hohen Temperaturen und weitgehend unter Ausschluss von Sauerstoff (Verfahren der Pyrolyse) wird pflanzliche Biomasse zu Kohle umgewandelt (karbonisiert).

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Der KILN eines char2cool-Projekts in Kenia

Äußerlich ist dieses Ergebnis der Karbonisierung unscheinbar und schwarz. Die „inneren Werte“ sind es, die die Pflanzenkohle so wertvoll und vielseitig anwendbar werden lassen: Die poröse Struktur ermöglicht eine unvorstellbar große Oberfläche als Voraussetzung für die gewaltigen Kapazitäten zur Bindung von Wasser, Nährstoffen, Mikroorganismen und auch Schadstoffen.
Der Kohlenstoff der Pflanzenkohle wird überdies nur sehr langsam abgebaut, sodass er großenteils langfristig über Jahrhunderte im Boden gebunden bleibt. Daher ist die Verwendung von Pflanzenkohle nicht nur zur Bodenverbesserung und Ertragssteigerung auf Anbauflächen, sondern auch als Klimaschutzmaßnahme zur langfristigen Bindung von Kohlendioxid von außerordentlicher Bedeutung.

Das angegebene Verfahren der Pyrolyse kann sowohl in Großanlagen industriell als auch ganz niederschwellig mit geringem Zeit- und Investitionsaufwand vor Ort mit Hilfe von Erdgruben oder einfachen konischen Metallbehältern (KILN genannt) angewendet werden.

Umsetzung (nicht nur) an Schulen

Unsere tansanischen Partnerschulen im Südwesten Tansanias sind als Secondary Schools weiterführende Schulen, die Jahr für Jahr eine zunehmende Anzahl von Jugendlichen an mindestens 270 Tagen im Jahr beherbergen. Für jede der Schulen stellt die Unterbringung und Verpflegung von hunderten von Schüler:innen eine permanente und kaum sinnvoll zu bewältigende Herausforderung dar. Sehr prekäre Verhältnisse sind die Folge, beispielsweise die dauerhaft einseitige (Mangel-)Ernährung mit den Hauptbestandteilen Mais und Bohnen.
Der Großteil der benötigten Nahrung muss vor dem Hintergrund der schon angesprochenen Ernterisiken und damit einhergehender starker Preisschwankungen eingekauft oder von den Eltern beigesteuert werden. Ein viel zu geringer Anteil Obst, Gemüse und Mais wird an den Schulen selbst gewonnen; die verfügbaren Felder der großflächigen Schulen werden vorrangig von den Lehrkräften genutzt, die den dort angebauten Mais privat verwerten (zur Aufbesserung ihres geringen Gehalts).

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Luduga Secondary: Ausgabe den Mittagessens

Wie kann unter diesen (komplexen) Bedingungen die Verpflegung der Schülerschaft (und natürlich auch der Lehrkräfte) durch ausreichende Mengen sichergestellt und verstetigt sowie die Qualität und Vielfalt des Angebots verbessert werden?

Ilembula und Luduga Secondary wagen den Versuch

Im Dezember 2022 zeigen sich die Verantwortlichen an unseren beiden Partnerschulen überzeugt, den Versuch mit angereicherter Pflanzenkohle zu wagen. Sie kaufen Holzkohlestaub, der bei der Herstellung der Holzkohle als Abfallprodukt anfällt, also bereits fertige Pflanzenkohle. Diese wird mit Urin bzw. Hühnermist vermischt und das schlammige Substrat an beiden Schulen auf jeweils 2.000 qm große Versuchsflächen in den Oberboden eingearbeitet.

Zukünftig wird die Pflanzenkohle mit Hilfe der vor Ort produzierten konischen Metallbehälter (KILN) aus eigenen Bioabfällen (v.a. Maisspindel und -stängel) vor Ort selbst erzeugt.

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Maisspindeln als Wertstoff zur Herstellung von Pflanzenkohle

Chancen

Die Erfahrungen in der vergangenen Regenzeit sind sehr positiv und erfolgversprechend.


Wenn es nun noch gelingt Wasser das ganze Jahr über an den Schulen verfügbar zu halten, um es permanent zur Bewässerung der Pflanzenkohleflächen zu nutzen und damit eine ganzjährige Ernte von Gemüse (und vielleicht auch anderen Kulturen?) zu ermöglichen, wird die Lebensmittelversorgung an den Schulen auf Dauer enorm verbessert.
Um diese Chancen wahrzunehmen, bieten wir unseren tansanischen Partner:innen neben der Kooperation mit Walter Danner von Char2cool e.V. an, auch mit Expert:innen des Vereins Technik ohne Grenzen e.V. (https://www.teog.ngo/) zusammenzuarbeiten. Voraussichtlich im August 2023 werden zwei aktive Studentinnen des Vereins (Studienfach „Ressourcenmanagement Wasser“, Regionalgruppe Rottenburg) die Schulen in Tansania besuchen und die Planung für die Umsetzung ganzjähriger Wasserreserven vorantreiben.

Herausforderungen

In einem Artikel dieser Homepage mit dem Titel „Time for Change“ vom 26. Februar 2023, der Ergebnisse eines RCE/SchuPa Treffens am 24. Februar zusammenfasst, wird der herausfordernde Charakter des Projekts bereits hervorgehoben (die Südpartner:innen werden dabei direkt angesprochen):

„Die Weiterentwicklung des Projektes ´Pflanzenkohle´ wird zeigen, inwiefern die Veränderungen in der Zusammenarbeit von RCE/SchuPa erfolgreich sind. Dieses Projekt zielt darauf ab, einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Ernährung in Schulen zu leisten, die trotz jahrelanger Bemühungen immer noch unzureichend ist.

Dieses Projekt, das seit Dezember 2022 läuft (in ILESS und LUDSS), ist das letzte, bei dem wir als nördliche Partner proaktiv sind. Es erfordert daher umso mehr, dass Sie als Partner des Südens aktiv, offen und ehrlich mit uns kommunizieren, dass Sie Ihre Skepsis, Zweifel und auch Ihre eigenen Ideen unabhängig von uns einbringen.

Wir hoffen und erwarten daher, dass Sie Ihre passive Rolle als Empfänger verlassen. Und wir hoffen und erwarten von Ihnen, dass Sie dieses Projekt langfristig so ernst nehmen, dass nicht nur einmalig oder sehr selten, sondern kontinuierlich verschiedene Kulturen gepflanzt und geerntet werden können und die Ernte den Schülern das ganze Jahr über regelmäßig angeboten wird.“

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Projektaustausch im Februar 2022 an der luduga Secondary