Kritische Zeiten – Zeit zur (Selbst-)Kritik

Kritik im Sinne von BEURTEILEN

Die Zufahrt zur Ilembula Secondary gestaltet sich schwierig: eine Erosionsrinne, die dürftig mit Steinen und Plastikabfällen gefüllt wurde, ist nicht leicht zu überwinden. Doch hat man diese Hürde geschafft, eröffnet sich der Blick auf eine Schule, die kaum wiederzuerkennen ist.
Drei neue Gebäude mit Klassenzimmern, finanziert durch die Community (d.h. die sechs umliegenden Villages) und die Regierung, stehen für das neue Schuljahr zur Verfügung. Trotz der eigenen prekären Lebensumstände waren die Bewohner motiviert eigene Beiträge zur Verbesserung der Lernsituation an der ILESS zu leisten; denn die Veränderung war bereits sichtbar: nach neuen Toilettengebäuden, einer neuen Küche und der Renovierung von zwölf Klassenzimmern wurden 2021 auch die drei bestehenden Schlafgebäude saniert und ein neues, doppelt so großes Dormitory (mit integriertem Sanitärbereich) errichtet. Knapp fünfzig Schüler:innen konnte auch 2021 der Schulbesuch durch Finanzierung der Schulkosten ermöglicht werden. Die verbesserte Internetqualität ist nun in einem Computerraum (mit den 2019 bereit gestellten Laptops) nutzbar.

Für all dies hat SchuPa 2021 insgesamt rund 100.000 € eingesetzt – einschließlich der für die Bauvorhaben geleisteten Fördergelder der Schmitz Stiftungen (25.000 €) und der Bayerischen Staatskanzlei (50.000€). Auf einem Rundgang Ende Dezember präsentierten uns die Schulleiterin, einige Lehrer:innen und Schüler:innen mit Freude ihre „neue“ Schule.

ILESS-Gebäude
Renovierte Klassenräume

Bezüglich der Verbesserung der Infrastruktur hat die Partnerschaft der Ilembula Secondary mit dem Ernst-Mach Gymnasium sichtbare Früchte getragen. Unter diesen Bedingungen kann das Schuljahr mit guten Voraussetzungen beginnen; dies zeigt sich auch in einem Zuwachs von ca. 130 Schüler:innen (insgesamt knapp 770) – die ILESS ist attraktiv geworden (auch wenn die Ergebnisse der Abschlussexamina im Vergleich zu vielen anderen Schulen noch unbefriedigend sind)!

Am vergangenen Wochenende nun wurde die Schule (erstmals) als „Boarding School“ für die Schüler:innen geöffnet. Sie reisten (oft begleitet von Eltern oder Verwandten) mit ihrem Gepäck, eigener Matratze und Säcken voller Essenvorräte (wie Mais, Bohnen oder Reis) gestapelt auf Motorrädern oder Handkarren an.
Ihre ersten Aufgaben: Reinigungs- und Aufräumarbeiten, Möblierung der Klassenzimmer, Einrichtung der Schlafgebäude. Diese Eigenleistungen gehören wie selbstverständlich zum Schulalltag dazu.
Alle Schüler:innen werden nun also in der Schule übernachten; von den damit möglichen zusätzlichen Lernzeiten erhofft man sich eine Verbesserung der Leistungen, auch wenn die Schüler:innen sich dabei weitgehend selbst überlassen sind.

Kritik im Sinne von BEMÄNGELN

Selbstinitiative an sich ist allerdings nicht Teil des Schulalltags an der ILESS – dies gilt für die Schüler:innen, aber vor allem für die Lehrkräfte und die Schulleitung. Diesen „Mangel“ zu beheben (als erklärtes Ziel unserer Partnerschaft) ist uns offensichtlich bisher nicht gelungen und zwingt uns – als Nord-Partner – weiterhin in die ungewollte Rolle der Charity Organisation.
Seit 2015 versuchen wir das traditionelle Bild von Gebern und Nehmern zu überwinden, eine gemeinsame Entwicklung im Sinne einer gleichberechtigten Partnerschaft „bega kwa bega“ (Schulter an Schulter) zu ermöglichen, um voneinander zu lernen, miteinander zu gestalten und sich füreinander einzusetzen (dies wurde 2017 in einer „Partnerschaftserklärung“ auch schriftlich vereinbart). Die damit verbundenen Voraussetzungen und Notwendigkeiten – sich aktiv einzubringen, eigene Ideen zu formulieren und im Dialog gemeinsame Projekte zu entwickeln – erfordern auch Auseinandersetzungen mit Inhalten, Werten und Haltungen – und nicht nur mit der Planung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten.

Eine solche Auseinandersezung fand mit dem Theaterprojekt „Connected“ (in Form einer von ENSA unterstützten virtuellen Begegnungsreise) im Oktober 2021 statt. Die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung wurde jedoch fast ausschließlich von deutscher Seite aus organisiert, während sich die tansanischen Verantwortlichen (anders als die teilnehmenden Schüler:innen) mit der Rolle der „Recipients“ begnügten.

Die Begegnungen der Schüler:innen (seit 2017) gehören sicher zu den Highlights unserer Partnerschaft, waren aber leider immer von diesem Ungleichgewicht bezüglich Initiative, Selbstverantwortung und Engagement gekennzeichnet. Vorschläge, Ideen oder auch (konstruktive) Kritik von Seiten der Verantwortlichen der ILESS wurden kaum eingebracht, so dass der Eindruck einer „Einbahnstraße“ von Nord nach Süd entstand.

Wir wissen, dass der Weg zur Transformation im Rahmen einer globalen Partnerschaft alle Beteiligten in besonderem Maße fordert. Wir haben uns stets um verlässliche Kommunikation, Offenheit und Transparenz bemüht – müssen nun aber feststellen, dass unsere (vielleicht zu hohen) Ansprüche an eine „echte“ Partnerschaft bezüglich der Vorstellungen der Schulleitung und (vor allem) der Lehrkräfte der ILESS an Grenzen stoßen. Diese Erfahrung zwingt uns nun die Partnerschaft mit ILESS ruhen zu lassen. Vielleicht kann sich so die Fähigkeit zur Reflexion des eigenen Handelns, Selbstverantwortung und Verlässlichkeit entwickeln.

Partnerschaft
Was bedeutet Partnerschaft?