Ein Eisbär, Gummibärchen, Gier, Tänze, eine Musikshow, nette Gespräche mit Patenschülerinnen, illegales Musikhören ^^„Daumen Raus!“, „Alle, die wo“ – ihr glaubt nicht, dass man all diese Sachen an einem einzigen Tag in Emmaberg erleben kann? Ich erzähle euch gerne wie!
Nach unserem ersten üblichen Frühstück am Morgen machten wir uns auf zum Staff-Room – wegen eines wichtigen Meeting der Diözese Makambako in der Library durften wir uns „leider“ nicht in der wunderschönen, aber kalten und halligen Bücherei einfinden, sondern begaben uns stattdessen in das wärmere und akustisch besser geeignete Lehrerzimmer –, um mit den Schülerinnen der EMMA Group ein Planspiel über Nachhaltigkeit zu spielen:
Ein Eisbär auf seiner Styropor-Eisscholle sollte vor dem Untergehen im Wasser bewahrt werden, gleichzeitig war es aber auch Aufgabe der Gruppen, sich möglichst viele Gummibärchen zu erspielen, was wiederum den Eisbären in Bedrängnis brachte. Jede Gruppe bekam jeweils eine graue und weiße Wolke, jede Runde wurde von jeder Gruppe gleichzeitig eine der beiden Karten gezeigt. Je weniger Gruppen eine graue Wolke zeigten, desto mehr Gummibärchen bekamen die Gruppen mit der grauen Wolke, dafür wurde die Eisscholle jedoch mit einem Stein beschwert und brachte somit das Ziel, den Eisbär am Leben zu halten, in Bedrängnis. Wenn alle Gruppen in einem abwegigen Fall weiße Wolken zeigten, wurde ein Stein von der Scholle entfernt und jede Gruppe bekam ein Gummibärchen.
In dem ersten Spieldurchlauf waren Absprachen unter Gruppen verboten, wodurch das Spiel regelrecht zum Glücksspiel wurde – man musste einfach hoffen, dass einem das Schicksal gut beisteht. Das Spiel endete mit dem Versinken des Eisbären.
In dem zweiten Spieldurchlauf waren Absprachen unter Teams erlaubt, sodass sich direkt alle Gruppen außer einer einzigen einen Plan ausdachten, bei dem jede Runde immer nur eine Gruppe eine graue Wolke zeigte, dies zwischen den Gruppen rotierte und bei einem sich annahenden Sinken der Eisscholle ein paar Runde nur die weiße Wolke gezeigt wurde und somit alle Gruppen einen maximalen Profit erzielen könnten, ohne den Eisbären zu versenken. Eine Gruppe sah sich im Meinungsbildungsprozess über die Spielstrategie zu wenig berücksichtigt, gab ein vages „Ja“, keine eindeutige Zustimmung und ging ab der zweiten Runde ihrem eigenen Plan nach. Somit wurden alle Gruppen aus ihrem Konzept gebracht und niemand vertraute mehr den anderen – der zweite Spieldurchlauf endete also erneut mit dem Versenken des Eisbären und nicht mit einer leeren Gummibärchentüte.
Im Nachhinein wurde überlegt, an welchen Problemen die zweite Spielrunde trotz möglicher Absprachen gescheitert sein könnte. Anfänglich wurde die Schuld kreuz und quer zwischen den Gruppen und den verschiedenen Ansätzen hin und her geschoben, schlussendlich kristallisierte sich dann aber doch heraus, dass das Hauptproblem wohl die Gier auf Gummibärchen und die Ungewissheit, den anderen Gruppen zu vertrauen, war. Ein Phänomen, welches sehr deutlich auch derzeitige Probleme in politischen Themen weltweit erklärt. Ein System, in dem Regierungen Geld in den Vordergrund stellen, anderen Staaten nicht vertraut werden kann, macht es schwer nachhaltige Politik zu führen. Für uns ein Zeichen, dass sich in unserem stark kapitalistischen System etwas ändern müsste, wenn wir eine lebenswerte Zukunft haben wollen. Ebenso sehr verdeutlicht diese Lage aber auch, dass solange sich politisch nichts ändert, jeder einzelne Konsument sich seiner Verantwortung, unsere Erde gut zu behandeln, also nachhaltig zu leben, bewusst sein muss und diese auch durch die Macht der Nachfrage umsetzen sollte.
Nach diesem etwas anstrengenderen Start in den Tag stärkten wir uns erst einmal wieder bei einem – wie üblich – zweiten Frühstück und gingen dann zu unserem Programmpunkt „Tänze beibringen“ über. Da die Schülerinnen uns lang und ausführlich alte und neue traditionelle Tänze zeigten und uns dann auch mittanzen ließen, blieb leider keine Zeit mehr für das vertiefte Üben eines unserer Standardtänze und so schlossen wir den Programmpunkt mit einem einfacheren von Pia und Konsti gezeigten griechischen Volkstanz ab.
Da sich im Anschluss daran alle Lehrer*innen, wie auch schon am Tag zuvor, über Unterrichtsformen und -methoden austauschten, lernten die Schülerinnen in ihren Klassenzimmern alleine, jedenfalls solange, bis sie uns in die Räume hineinführten, da hörte das Studieren nämlich schlagartig auf ^^. Und was macht man wenn kein Lehrer da ist? Natürlich verbotenerweise Musik hören! Auf Nachfrage vieler Schülerinnen hatte ich mir am Vorabend zwei tansanische Pop-Songs heruntergeladen und so drängte sich eine für meinen Geschmack „etwas“ zu große Traube an Schülerinnen um mich und mein Handy, um die Songs „The One“ und „Tetema“ anzuhören und mitzusingen.
Nachmittags bekamen wir eine Vorstellung der Drama Group aus Emmaberg zu sehen. Mit viel Talent und Hingabe zu ihren Rollen kritisierten die Schülerinnen in dem zehnminütigen Stück die traditionellen Geschlechterrollen in Tansania. Uns beeindruckte bei dieser Vorstellung vor allem, was für ein Herzensanliegen es den Schülerinnen war, die vom Mann gewollte Unterwürfigkeit der Frau abzuschaffen. Bei einer „Musicshow“ wurden uns direkt im Anschluss noch ein zweites Mal an diesem Tag tansanische Tänze gezeigt.
Natürlich pflegten wir trotz des regen Austauschs mit den Schülerinnen noch weiteren Kontakt mit den Mädels und so nahmen einige unserer Schüler*innen auch schon Videos mit Patenschülerinnen für deren Patenfamilien und -klassen auf. Liz, Lea und ich hatten zum Beispiel ein sehr nettes Gespräch mit den von unserer ehemaligen Q12 unterstützten Schülerinnen Faraja und Ester auf einer Wiese neben den Klassenzimmern, Niklas filmte Videos mit „seinen“ Patenschülerinnen auf dem Fußballplatz und ich wurde von meinen Patenschülerinnen dazu eingeladen, mit ihnen in der Dining Hall zu essen – den mir angebotenen Löffel lehnte ich natürlich ab, schließlich essen die Schülerinnen auch mit der Hand! Am Abend spielten wir noch alle gemeinsam mit der EMMA Group sowie einzelnen Lehrer*innen Gruppenspiele und hatten dabei viel Spaß.
Und wie bei jedem guten KHG-Reisebericht gibt es zum Abschluss noch eine Momentaufnahme: Ich sitze hier am Sonntag um 21:47 Uhr in dem unseren Erwachsenen zugeteilten Lehrerhaus – Niklas und Konsti sind wahrscheinlich gerade dabei, in unserem Haus ihre Koffer zu packen – , versuche mich, an die vor drei Tagen passierten Ereignisse zu erinnern, während ich meinen „etwas“ verspäteten Artikel fertig schreibe. Neben mir sortieren gerade die Schulleiterin Pewa Kabelege, Pia und Marianne kleine mitgebrachte Schmuckstücke, die den Schülerinnen zu ihrem Schulabschluss geschenkt werden werden (Benjamin Rückert über Donnerstag, 15.08.19)